Wir fordern einen sofortigen Stopp der E-Commerce-Verhandlungen auf WTO-Ebene und die Möglichkeit, unsere digitalen Daten im öffentlichen Interesse zu nutzen!
In den letzten Jahren hat die EU in bilateralen und plurilateralen Verhandlungen zu Handelsabkommen Kapitel über “digitalen Handel” und “E-Commerce” eingeführt.
Obwohl die WTO-Regeln keine plurilateralen Verhandlungen ohne die Zustimmung aller Mitglieder zulassen, haben mehrere WTO-Mitglieder im Jahr 2017 solche zum Thema E-Commerce aufgenommen. Seitdem finden monatliche Treffen statt, um die Wünsche von Big-Tech Konzernen in ein Abkommen zu gießen.
Auf der 12. WTO-Minister*innenkonferenz 2022 sollen die Verhandlungen einen Schritt weiter gehen und alle WTO-Mitglieder in den Prozess einbeziehen. Diese Verhandlungen werden von Big-Tech Konzernen vorangetrieben, die versuchen Handelsabkommen zu nutzen, um ihre monopolistischen Praktiken durch den Zugang zu und die Kontrolle über eine der wertvollsten Ressourcen der Welt, unsere digitalen Daten, rechtlich abzusichern.
Private Konzerne mit dem Ziel der privaten Profitmaximierung dürfen unsere Daten nicht kontrollieren. Alle Länder und Gemeinschaften sollten das Recht haben, ihre Daten sowie Technologie und Digitalisierung im allgemeinen zu nutzen, um die Industrialisierung, menschenwürdige Arbeitsplätze und das allgemeine öffentliche Interesse zu fördern, z. B. durch die Verbesserung des Zugangs zu hochwertigen öffentlichen Dienstleistungen.
Darüber hinaus versuchen die Unternehmen, die Verhandlungen über den digitalen Handel zu nutzen, um ihr schädliches Geschäftsmodell zu konsolidieren, bei dem sie sich der Regulierung entziehen, Arbeitskräfte ausbeuten, die Zahlung von Steuern (sowohl Unternehmens- als auch Handelssteuern oder Zöllen) umgehen und gegenüber den Gemeinschaften, von denen sie profitieren, keinerlei Rechenschaft ablegen. Eine angemessene, demokratische und partizipative Internet-Governance sowie das Recht auf Privatsphäre, die wirtschaftlichen Rechte der Menschen an ihren Daten und der Datenschutz dürfen nicht privaten kommerziellen Interessen untergeordnet werden.
Die derzeitigen Verhandlungen gehen weit über den digitalen Handel hinaus und würden unsere Privatsphäre und die wirtschaftlichen Rechte der Menschen an ihren Daten gefährden; Ungleichheiten, auch durch die digitale Kluft, verschärfen; Steuervermeidung durch digitale Konzerne fördern; Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU) dezimieren; die monopolistische Kontrolle von Erstanbietern zementieren; uns weniger sicher machen, indem sie eine angemessene Aufsicht über Quellcodes und Algorithmen verbieten; und den politischen Spielraum für die digitale Industrialisierung für immer verkleinern.
Wir fordern die Europäischen-Regierungen auf:
In einem ersten Schritt die plurilateralen Verhandlungen über E-Commerce an der WTO zu stoppen und keine multilateralen Verhandlungen zu diesem Thema aufzunehmen.
Alle weiteren politischen Prozesse zum digitalen Handel und E-Commerce müssen auf den folgenden Prinzipien beruhen:
Betroffene müssen Eigentümer ihrer Daten sein – individuell und kollektiv
Bürger*innen, Arbeitnehmer*innen und Wirtschaftsakteure – vom Bauern bis zur Kleinunternehmerin – müssen individuell und kollektiv die Kontrolle über ihre eigenen Daten haben können. Diese Bedürfnisse und Rechte an Daten müssen anerkannt werden (Datensouveränität). Datenschaffende Arbeit sollte mit Datenrechten einhergehen.
Wir brauchen Regeln, Standards und neue Institutionen, um unsere Daten zu kontrollieren und zu teilen, sowie sie vor Missbrauch zu schützen.
Daten sollten in der Nähe ihres Entstehungsortes verarbeitet werden. Digitale Standards müssen von Einrichtungen des öffentlichen Interesses entwickelt werden. Dies erfordert einen offenen, integrativen und partizipativen politischen Entscheidungsprozess von der globalen bis zur lokalen Ebene, in dessen Mittelpunkt die digitale Gerechtigkeit steht. Grenzüberschreitende Datenströme müssen auf nationaler Ebene oder im Falle der EU innerhalb der EU entschieden werden. Wir brauchen einen kollektiven Rechtsschutz gegen Schäden, die durch unfaire, diskriminierende und/oder ausbeuterische Datenverarbeitung entstehen.
Data Commons brauchen einen angemessenen Governance-Rahmen
Umwelt-, Gen-, Wetter-, Agrar- und andere öffentlich erzeugte Gemeinschaftsdaten müssen durch gemeinschaftsbasierte Rahmenbedingungen geregelt werden. Diese Daten müssen frei von kommerzieller Nutzung sein.
Die wichtigsten digitalen Infrastrukturen müssen als öffentliche Versorgungseinrichtungen verwaltet werden.
Wir brauchen ein pluralistisches Internet, das auf einer Konstellation von translokalen Verbindungen, Open-Source-Innovationen und vielfältigem Wissen beruht und dem homogenisierenden Silicon-Valley-Narrativ entgegenwirkt. Unsere Software sollte uns gehören und wir sollten in der Lage sein, sie zu kontrollieren. Um das Internet als globales öffentliches Gut zu verwalten, brauchen wir einen unabhängigen, repräsentativen multilateralen Mechanismus, der durch einen internationalen Vertrag gestützt wird.
Das Digitale muss von der lokalen bis zur globalen Ebene verwaltet werden
Indigene und lokale Gemeinschaften, Landwirt*innen, Fischer*innen und soziale Bewegungen müssen sich an den Prozessen der digitalen Politik beteiligen, die von der globalen zur lokalen Ebene führt. Wir müssen auch die Beziehung zwischen digitaler Technologie, Gesellschaft und Natur neu definieren. Das Herzstück der digitalen sozialen Organisation müssen die epistemischen Traditionen des Südens und die feministische Ethik sein, die im sozio-ökologischen Wohlergehen verwurzelt sind. Wir brauchen eine Datenverwaltung und -regulierung, die rassistische, geschlechtsspezifische und andere Vorurteile berücksichtigt.
Technostrukturen müssen persönliche und öffentliche Räume sein und dezentralisiert werden, damit sie offen genutzt werden können, mit Interoperabilität.
Wir brauchen transnationale Allianzen von Praktikern, die sich in kollaborativen und kooperativen Plattformmodellen engagieren. Wir brauchen auch eine faire digitale Wirtschaftsordnung, die die Voraussetzungen für die digitale Industrialisierung des globalen Südens schafft. Digitale Innovation sollte öffentlich finanziert werden.
Globale digitale Monopole sollten gebrochen werden.
Wir brauchen eine globale Konvention für Daten und Cyberspace, um die Macht der Big-Tech-Oligarchie zu brechen und Frieden, Sicherheit, Menschenrechte und globale Gerechtigkeit zu fördern. Wir brauchen Vorschriften, um die unkontrollierte Macht transnationaler digitaler Konzerne zu zügeln. Dazu gehören globale Regeln für die digitale Besteuerung, um Regime-Shopping durch Technologieunternehmen zu verhindern.
Die Datafizierung der Gesellschaft muss demokratisch verwaltet werden.
Dies erfordert eine auf Souveränität und öffentlichem Interesse basierende Verwaltung digitalisierter Infrastrukturen in den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Finanzen, Wohlfahrt und anderen sozioökonomischen Sektoren. Wir brauchen institutionalisierte Normen und Grundsätze zur Bewertung und Festlegung der Grenzen des Datenextraktivismus. Eine Künstliche Intelligenz (KI)-Politik, die über die Achsen der Verantwortlichkeit, der Nichtdiskriminierung und des Datenschutzes hinausgeht, muss eine gerechte Umverteilung der Gewinne aus Daten und digitaler Intelligenz gewährleisten.
Verabschiedung eines Manifests der digitalen Rechte der Arbeitnehmer*innen
- Die Stimme der Arbeitnehmer*innen
- Die Anliegen und Interessen der Arbeitnehmer*innen sollten bei der Entwicklung, Anwendung und Umsetzung von KI am Arbeitsplatz stets im Mittelpunkt stehen.
- Jede*r am Arbeitsplatz sollte ein Mitspracherecht haben, wenn es darum geht, ob KI eingeführt wird, um wichtige Entscheidungen über Menschen zu treffen. Vor der Einführung neuer Technologien sollten echte und aktive Konsultationen mit Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innen stattfinden.
- Die Zusammenarbeit von Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften bei der Ausarbeitung von Tarifverträgen über neue Technologien und Daten ist der wirksamste Weg, um sicherzustellen, dass die Interessen der Arbeitnehmer*innen respektiert werden.
- Gleichstellung
- Es sollten keine ungesetzlich diskriminierenden Entscheidungen mit Hilfe von Technologien getroffen werden. Wir wissen, dass Arbeitnehmer*innen unter Diskriminierung und anderen Formen der Ungerechtigkeit leiden, die sich aus dem Einsatz von KI bei der Arbeit ergeben. So kann es beispielsweise zu diskriminierenden Ergebnissen kommen, wenn die Gesichtserkennungstechnologie auf Daten trainiert wurde, die nur weiße Gesichter enthalten. Die Diskriminierung durch Algorithmen muss aufhören. Außerdem muss es einen gleichberechtigten Zugang zu KI am Arbeitsplatz für alle geben, unabhängig von Merkmalen wie Alter oder Behinderung.
- Gesundheit und Wohlbefinden
- Es sollten keine neuen Technologien am Arbeitsplatz eingeführt werden, die sich negativ auf die körperliche oder geistige Gesundheit oder die Sicherheit der Arbeitnehmer*innen auswirken.
- Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben
- Bei der Einführung neuer Technologien sollten die Arbeitgeber*innen die Bedeutung klarer Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben respektieren. Ohne diese Grenzen dringt die Arbeit in das Privatleben ein. Arbeitnehmer*innen berichten uns, dass sie sich zunehmend kontrolliert und überwacht fühlen, was zu Stress und gesundheitlichen Problemen führen kann.
- Menschliche Verbindung
- Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein gewisses Maß an menschlicher Beteiligung an der Entscheidungsfindung bei der Arbeit erhalten bleibt. Andernfalls ist es wahrscheinlicher, dass ungerechte Entscheidungen, die von der Technik getroffen werden, unangefochten und unhinterfragt bleiben. Wir erkennen auch die grundlegende Bedeutung des menschlichen Kontakts und der Interaktion am Arbeitsplatz sowie den Wert der menschlichen Handlungsfähigkeit an. Die Menschen sollten nicht das Gefühl haben, dass sie einer absoluten technologischen Kontrolle unterworfen sind.
- Transparenz und Erklärbarkeit
- Es sollte den Menschen klar sein, wann die Technologie eingesetzt wird, um Entscheidungen über sie bei der Arbeit zu treffen. Auch die Art und Weise, wie diese Entscheidungen getroffen wurden, muss leicht zu erklären und zu verstehen sein. Außerdem sollten Arbeitnehmer*innen und Bewerber*innen genügend Informationen über die Technologie zur Verfügung stehen, damit sie darauf vertrauen können, dass sie fair eingesetzt wird. Andernfalls ist es für die Arbeitnehmer*innen unmöglich, ungerechte und diskriminierende Entscheidungen, die von der Technologie getroffen werden, anzufechten oder zu erkennen, wenn ungenaue oder irreführende Daten verwendet wurden.
- Datenbewusstsein und -kontrolle
- Die Arbeitnehmer*innen sollten über den Wert personenbezogener Daten aufgeklärt werden und darüber, wie diese von ihrem Arbeitgeber verwendet werden und wie die Daten in KI-Systeme einfließen. Sie sollten auch Kontrolle und Einfluss darauf haben, wie ihre Daten verwendet werden. Daten, die in KI-Systemen verwendet werden, müssen fair und genau sein.
- Gegenseitigkeit der Daten
- Datengleichheit und -gerechtigkeit ist ein Grundsatz, den alle modernen, zukunftsorientierten Arbeitsplätze unterstützen sollten. Die Öffentlichkeit erwartet zunehmend gleiche Macht und Rechte in Bezug auf Daten, und dies sollte sich auch am Arbeitsplatz widerspiegeln. Da Arbeitgeber*innen Daten von Arbeitnehmer*innen sammeln und nutzen, sollten Arbeitnehmer*innen im Gegenzug das Recht haben, ihre eigenen Daten zu sammeln und zu nutzen. Die Gewerkschaften sind in einer einzigartigen Position, um Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen dabei zu helfen, das Ungleichgewicht der Macht über die Daten am Arbeitsplatz zu beseitigen.
- Bildung und Kommunikation
- Wir alle müssen uns gegenseitig über Technologie, künstliche Intelligenz, Algorithmen, maschinelles Lernen und die Macht der Daten aufklären und uns die Sprache aneignen, um darüber zu kommunizieren. Wenn wir alle diese Begriffe verstehen und effektiv über Technologie kommunizieren können, sind wir der Lösung der damit verbundenen Probleme einen großen Schritt näher gekommen.
Unterzeichnende Organisation
AG Handel / Forum Umwelt und Entwicklung | Germany |
Amis de la Terre France | France |
Anders Handeln | Austria |
Attac Austria | Austria |
Campaña No a los Tratados de Comercio e Inversión | Spain |
Ecologistas en Acción | Spain |
Fairwatch | Italy |
Global Justice Now | United Kingdom |
Handel Anders! coalitie | Netherlands |
International Fellowship of Reconciliation – Austria | Austria |
Naturefriends Greece | Greece |
ÖBV-Via Campesina Austria | Austria |
PowerShift e.V. | Germany |
Seattle to Brussels Network | Europe |
Transnational Institute | International organisation located in The Netherlands |
TROCA – Plataforma por um Comércio Internacional Justo | Portugal |
TROCA – Plataforma por um Comércio Internacional Justo | Portugal |
Védegylet Egyesület | Hungary |
Védegylet Egyesület | Magyarország |
War on Want | United Kingdom |
Welthaus Graz | Austria |